1893
Te Deum
(Der edlen Bekämpferin des Massenmordes, Bertha von Suttner, gewidmet.)
Gluthsommer Siebzig. Spich’rer Höhen dampften,
Kanonen heulten. Schwerschwadronen stampften.
Die Leiber zuckten in den Ackergrund,
Entsetzen athmete der Erde Mund.
Blut floss, als sei schon Rotwein-Kelterzeit;
Ha, Herrscherhochzeit! Purpurfeierkleid
Und Zug auf Zug, branntweinbefeuert, stürmt.
Hurrah und Vorwärts! Leichen aufgetürmt!
Zehntausend Nummern wen’ger oder mehr.
Hurrali! du preussisches, du tapfres Heer!
Genommen! Sieg! Der Abend kühlt hernieder
Und küsst mitleidig die erstarrten Glieder.
ITalbtodte lechzen in die laue Luft,
In ihre Nase wittert Leichenduft,
Die roten Kreuze bahren auf, verbinden
Und hören Sterbeseufzer sich entwinden.
„Mein Weib, mein armes, o mein armes — ah!“
Der Rumpf schlägt hin. Hurrah Germania!
To Deum! Trommeln thronen den Altar.
Die Bibel offen. Feldprobst im Talar.
Die schwachen Bataillone rund rangirt.
„Helm in die Hand!“ Der Hauptmann kommandirt.
Der Feldprobst räuspert sich : ..O du da droben,
Lass deinen unerforschten Ratschluss loben!
Der heil’gen Sache hast du Sieg gewährt
Und deinen Willen wunderbar erklärt.
Wir danken dir, du höchster Herr der Welt,
Dass du des Erbfeinds Höllenplan zerschellt.
Sei fürder mit uns Segne du den Kaiser
Und alle angestammten Fürstenhäuser!
Lass deine Gnade aufgeh’n über Allen,
Insonderheit für die, so heut gefallen
Für dich sind sie geboren in den Tod.
Gott, sei uns gnädig! Hilf aus aller Not!“ —
Die Mannschaft singt: „Herr Gott, dich loben wir!“
— „Hehn auf!“ — Die Leute rücken in’s Quartier.
Jenseits im Thale ward zur selben Zeit •
Dem Gott Napoleons der Dienst geweiht.
Matt, knielahm steh’n sie mit gesunk’nem Blick
Und denken an ihr trauriges Geschick.
Im Stillen ballt und krampft sich manche Faust,
Indess der düstere Choral erbraust.
Le prêtre aber faltet seine Hände:
..Mon Dieu! gieb, dass sich morgen Alles wende!
Fleuch du dem kaiserlichen Aar voraus
Und stoss das Geierthier in Nacht und Graus!
Gott segne, segne unser Herrscherhaus!
Ich weiss, du wolltest uns gewiss erst prüfen,
Nun leih‘ uns Sieg! Wir schrei’n aus Herzenstiefen.“
Mit opferdumpfer Todergebung zieh’n
In ihr Gelass die dünnen Kompagnien.
1893
Te Deum
Glutsommer Siebzig. Spich’rer Höhen dampften,
Kanonen heulten. Schwerschwadronen stampften.
Die Leiber zuckten in den Ackergrund,
Entsetzen athmete der Erde Mund.
Blut floss, als sei schon Rotwein-Kelterzeit;
Ha, Herrscherhochzeit! Purpurfeierkleid
Und Zug auf Zug, branntweinbefeuert, stürmt.
Hurrah und Vorwärts! Leichen aufgetürmt!
Zehntausend Nummern wen’ger oder mehr.
Hurrali! du preussisches, du tapfres Heer!
Genommen! Sieg! Der Abend kühlt hernieder
Und küsst mitleidig die erstarrten Glieder.
ITalbtodte lechzen in die laue Luft,
In ihre Nase wittert Leichenduft,
Die roten Kreuze bahren auf, verbinden
Und hören Sterbeseufzer sich entwinden.
„Mein Weib, mein armes, o mein armes — ah!“
Der Rumpf schlägt hin. Hurrah Germania!
To Deum! Trommeln thronen den Altar.
Die Bibel offen. Feldprobst im Talar.
Die schwachen Bataillone rund rangirt.
„Helm in die Hand!“ Der Hauptmann kommandirt.
Der Feldprobst räuspert sich : ..O du da droben,
Lass deinen unerforschten Ratschluss loben!
Der heil’gen Sache hast du Sieg gewährt
Und deinen Willen wunderbar erklärt.
Wir danken dir, du höchster Herr der Welt,
Dass du des Erbfeinds Höllenplan zerschellt.
Sei fürder mit uns Segne du den Kaiser
Und alle angestammten Fürstenhäuser!
Lass deine Gnade aufgeh’n über Allen,
Insonderheit für die, so heut gefallen
Für dich sind sie geboren in den Tod.
Gott, sei uns gnädig! Hilf aus aller Not!“ —
Die Mannschaft singt: „Herr Gott, dich loben wir!“
— „Hehn auf!“ — Die Leute rücken in’s Quartier.
Jenseits im Thale ward zur selben Zeit •
Dem Gott Napoleons der Dienst geweiht.
Matt, knielahm steh’n sie mit gesunk’nem Blick
Und denken an ihr trauriges Geschick.
Im Stillen ballt und krampft sich manche Faust,
Indess der düstere Choral erbraust.
Le prêtre aber faltet seine Hände:
..Mon Dieu! gieb, dass sich morgen Alles wende!
Fleuch du dem kaiserlichen Aar voraus
Und stoss das Geierthier in Nacht und Graus!
Gott segne, segne unser Herrscherhaus!
Ich weiss, du wolltest uns gewiss erst prüfen,
Nun leih‘ uns Sieg! Wir schrei’n aus Herzenstiefen.“
Mit opferdumpfer Todergebung zieh’n
In ihr Gelass die dünnen Kompagnien.